Glücklicher Single oder offen für Neues?

Latin Lover und heißblütige Latina? Treffen die Klischees über das Aussehen zu? Wie flirten die Mexikaner und Mexikanerinnen? Was gilt es bei einem Date zu beachten? Wie viel Romantik darf es sein? Welches ist der nächste Schritt zu einer Beziehung und der Liebe? Dorothee Bliem berichtet in ihrem Beitrag über ihre gemachten Erfahrungen.

Als glücklicher Single in Mexiko

Im Januar 2017 brach ich für zwei Jahre zu einem Auslandsaufenhalt in Mexiko auf. Dass es zwei Jahre werden würden, wusste ich damals noch nicht. Ein Jahr sollte es sein, in einer Stadt namens San Luis Potosi, von der ich erst einige Wochen zuvor zum ersten Mal gehört hatte. Ich war zu dieser Zeit glücklicher Single, frei und ungebunden, was auch in Mexiko so bleiben sollte. Da traf es sich gut, dass weder der klassische Latin Lover noch die tendenziell dunkleren Indigenos in mein Beuteschema passten. In meiner Vorstellung bestand die mexikanische Männerwelt nämlich aus diesen zwei Alternativen, wohingegen meine Devise damals noch groß und blond lautete.

Groß oder klein? Blond oder dunkelhaarig?

Somit hatte ich mir mit Mexiko bewusst den falschen Ort ausgesucht. Ich wollte die Gefahr so minimal wie möglich halten, mich wegen eines Mannes permanent am anderen Ende der Welt anzusiedeln. Mit meinen fast 1,80 m stellte ich mir vor, in Mexiko ohnehin den Eindruck einer Giraffe zu erwecken – und für die Mexikaner somit nicht die begehrenswerteste Beute zu sein. Wie wenig ich damals doch wusste.

In Mexiko angekommen, stellte sich das alles als zu einfach gedacht heraus: Erstens gab es durchaus einige anziehende Exemplare, obwohl nur selten groß und noch seltener blond. Zweitens passt sich der Geschmack erstaunlich schnell an die Gegebenheiten an: wie unwesentlich doch plötzlich der Größenunterschied erschien.

Außerdem erfuhr ich schnell, dass man als großgewachsene Europäerin in Mexiko schon allein aufgrund dieser Merkmale als ziemlich begehrenswert gilt. Entgegen meinen anfänglichen Vorsätzen, stürzte ich mich also doch ins mexikanische Datingleben. Ich hatte immer noch nicht die Absicht, den Mann fürs Leben zu finden, doch um ein möglichst umfangreiches Bild von Mexiko zu bekommen, war ich es dem Land fast schuldig, oder?

Das erste Date

Ich hatte keine Ahnung, welche unausgesprochenen Regeln dem Dating in Mexiko zugrunde liegen, und war gespannt auf neue, interkulturelle Begegnungen. Meine Unwissenheit resultierte allerdings darin, dass ich gleich mein erstes Date verpasste. Nicht physisch, sondern vielmehr mental.

Erst nach meinem Ausflug mit einem gewissen José erzählten mir meine Mitbewohner, dass es sich dabei um mehr als nur um ein freundschaftliches Treffen gehandelt hatte. Der Anhaltspunkt? Die Schokolade, die er mir mitgebracht hatte. Und der Umweg über den Aussichtspunkt von San Luis Potosí, der für viele der Inbegriff von Romantik sein soll. Die einzige Wirkung, die er auf mich ausübte, war jedoch eine einschläfernde. Mein Bekannter war seinem Ziel also nicht näher gekommen. Ich war froh darüber, denn etwas mehr Kontrolle über meine citas, über meine »Dates«, war mir in Zukunft sehr recht.

Mexikanischer Gentleman

Trotz meines verpassten (und verpatzten) ersten Dates, taten sich bald weitere Möglichkeiten für zweisame Unternehmungen auf, die mir tiefere Einblicke in das Verhalten beim Flirten und Dating der Mexikaner boten. Ich war mit einem Herrn zum Abendessen verabredet. Das mexikanische Essen war immer ein dankbarer Vorwand, um gemeinsam Zeit zu verbringen. In meinem alten, europäischen Leben, hätten wir uns dafür einfach vor dem Restaurant verabredet. Wir hätten nachdenklich in die Speisekarte geblickt, uns über unsere Unschlüssigkeit ausgetauscht, und am Ende jeder für sich bestellt, gegessen und bezahlt.

In Mexiko war auf diese Konvention kein Verlass mehr. Ich wurde abgeholt, vor meiner Haustür, pünktlich. Ob die Pünktlichkeit der Situation (erstes Date) oder mir (Europäerin) zu verschulden war, weiß ich nicht sicher. In meiner Gegenwart schienen die Mexikaner jedenfalls oft besonders stolz, wenn sie dem Klischee der lateinamerikanischen Unpünktlichkeit entgegenhalten konnten.

Da ich von der Speisekarte nichts verstand, ließ ich getrost meine Begleitung auswählen. Er bestellte verschiedene Enchiladas, ein wunderbares Ceviche, und ich musste unbedingt dieses »Wasser« probieren, das nach Milchreis schmeckte. Wir unterhielten uns über dieses und jenes, hauptsächlich aber über das mexikanische Essen.

Die Rechnung bitte

»Te encargo la cuenta«, rief mein Date dem Kellner zu, als wir fertig gespeist hatten, und ich dreimal beteuert hatte, kein Dessert mehr zu wollen. Der Kellner überreichte ihm kurz darauf ein schwarzes Ledermäppchen. Die Rechnung. »Cuanto es?«, fragte ich, »wie viel macht es aus?«, und zückte schon einmal meine mexikanischen Pesos.

Ich erntete ein gutgemeintes Grinsen. Darum bemüht, die Rechnung möglichst aus meinem Blickfeld zu halten, überdeckte er sie hastig mit 200-Pesos-Scheinen. Er überreichte sie wieder dem Kellner.

»Cuanto te debo?«, versuchte ich noch einmal, meinen guten Willen zu zeigen: »Wie viel schulde ich dir?«. Wieder grinste er nur, diesmal blitzte jedoch ein Funken Unsicherheit in seinen Augen auf. Er versicherte sich, dass der Kellner bereits außer Sichtweite war. Ich hatte erwartet, dass die Rollenbilder in Mexiko starrer sein würden, als ich es gewohnt war. Dass es manchen Männern nicht nur unangenehm, sondern teils sogar peinlich ist, wenn sich Frauen an der Rechnung beteiligen wollen, überraschte mich dennoch.

Die kleinen Aufmerksamkeiten

Natürlich passen nicht alle Mexikaner in diese Schublade, natürlich sind wie überall die individuellen Unterschiede größer als die Kulturellen. So sollte ich auf weiteren Dates lernen, dass mexikanische Männer teils gerade deshalb gern mit europäischen Frauen ausgehen. Dort müssen sie nicht den traditionellen Caballero mimen.

Auch an ihnen zogen die Standards der mexikanischen Gesellschaft aber nicht spurlos vorüber: War ich zu Fuß und in männlicher Begleitung unterwegs, wurde ich konsequent auf die Innenseite des Gehsteigs gedrängt. »Um die Frau zu beschützen«, sagten die einen, »ein historisches Überbleibsel«, sagten die anderen, »um zu signalisieren, dass sie nicht zum Verkauf steht«.

Ich gewöhnte mich daran, genau wie ich mich daran gewöhnte, dass ich oft Blumen geschenkt bekam oder sogar selbstgeschriebene Gedichte. Das höchste der Gefühle waren 20 Tafeln Milkaschokolade, die mir ein Charmeur eigens hatte importieren lassen. Mit solchen Waffen tasten sich die mexikanischen Männer oft erfolgreich an ihre Angebetete heran. Meiner Re-Integration in Österreich waren diese Erfahrungen nicht förderlich: Ich sehnte mich nach den kleinen Aufmerksamkeiten und nach dem Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Wie schnell man sich doch um den Finger wickeln lässt.

Zu dir oder zu mir oder ins Motel

Schwierigkeiten hatten die Mexikaner oft, wenn es um die körperlichen Belange ging. Noch heute lebt man in Mexiko oft bis zur Hochzeit im Elternhaus. Dort ist es meist ein No-Go mit dem Partner oder der Partnerin – geschweige denn mit einer Liebschaft – ein Schäferstündchen einzulegen.

Für diese Fälle wurden die Motels geschaffen: Stundenhotels, die an Autobahnraststätten anmuten, teilweise aber sogar mit hauseigenen Sexshops ausgestattet sind. Eine achtstündige Liebesnacht kostet je nach Ausstattung zwischen umgerechnet 15 und 50 Euro. Viel mehr als die Frage »zu mir oder zu dir« stellt sich den MexikanerInnen also die Frage: »in welches Motel?«. Wird man spontan von der Lust übermannt, bleibt zu hoffen, dass es nicht Valentinstag ist. Für diesen Tag sind die Motels meist lang im Vorhinein ausgebucht.

»Quieres ser mi novia?«

Soll dem ungezwungenen Dating ein Ende gesetzt, und die Brücke hin zur festen Beziehung geschlagen werden, geschieht dies in Mexiko traditionellerweise mit folgender Frage: »Quieres ser mi novia?« – »Willst du meine Freundin sein?«. Natürlich mit einem großen Strauß Blumen im Gepäck.

Als Europäerin sollte man sich dabei vergewissern, der Spanischen Sprache halbwegs mächtig zu sein: Eine deutsche Freundin verstand die Frage einst nicht – und bejahte sie unwissend, mit einem gutgläubigen Grinsen. Erst nach einigen Wochen fand sie heraus, dass ihre Affäre sie bereits freudestrahlend als neue Freundin bei seiner Familie angekündigt hatte.

Kein Latin Lover im Gepäck

Für mich bleibt zu sagen, dass mein Plan aufging: Als ich Mexiko Ende 2018 wieder verließ, hatte ich keinen Latin Lover im Gepäck. Dafür viele schöne Erinnerungen und ein paar Habseligkeiten, die mir das mexikanische Dating-Leben beschert hatte. Einige meiner Klischees wurden bestätigt, andere widerlegt. So hatte ich ja geglaubt, mir zwecks Datings bewusst den falschen Ort ausgesucht zu haben. Dem muss ich nun widersprechen.


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»Diese Mutter ist voll Vater«

Titel: Diese Mutter ist voll Vater
Untertitel: Streifzug durch meinen mexikanischen Alltagsdschungel
Verlag: epubli
Autorin: Dorothee Bliem
ISBN: 978-3-7529-8093-6
Publiziert: 2020
Seiten: 188
Preis: ca. Euro 8.50
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Buchbeschreibung

Die Buchautorin Dorothee »Doro« Bliem sucht einen neuen Job und wird in Mexiko fündig. Sie zieht nach San Luis Potosi in eine Wohngemeinschaft, in ein Hippiehaus. Die mexikanische Gesellschaft und der Alltag mit all seinen Faceten stellt sie vor so manche verrückte Herausforderung. Doro erzählt von der wahren Bedeutung von Schokolade und warum Mexikaner das Bier mit Tomatensaft trinken. Die Autorin geniesst die Fahrt in einem uralten VW-Käfer und lernt, warum man Kondome nur ungern am Kiosk besorgt. »Diese Mutter ist voll Vater« ist ein unterhaltsames und mit viel Liebe verfasstes Buch. Eine Leseprobe über das Auslandsjahr in San Luis Potosi könnt ihr bei uns lesen.

Autorenvita

Planet Mexiko und Buchautorin Dorothee Bliem

Dorothee Bliem, geboren 1992, studierte Sprachwissenschaft in Innsbruck und Amsterdam. 2017 lebte sie während zwei Jahren in Mexiko, wo sich ihr Blick auf das vermeintlich Selbstverständliche drastisch veränderte. Seit ihrer Rückkehr aus Mexiko lebt sie wieder in Österreich.


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