Geister und Silber in der Sierra Madre

Die ehemalige Silberstadt Real de Catorce liegt hoch oben in der Sierra Madre Oriental im Bundesstaat San Luis Potosi. Der attraktive Ortskern des Pueblo Mágico präsentiert einen faszinierenden Mix aus altehrwürdigen Ruinen und restaurierten Gebäuden. Die einzigartige gebirgige und wüstenhafte Umgebung kannst du mit dem Jeep, zu Pferd oder auf einem Trekking erkunden.

Die einst wohlhabende Silberminenstadt Real de Catorce verkam nach dem Einbruch der Silberpreises zu einer Geisterstadt. Die Einwohnerzahl von einigen Zehntausend reduzierte sich auf einige Hundert. Die Stadt war nahezu verlassen und die Gebäude zerfielen.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde die Geisterstadt wiederentdeckt und umtriebige Bewohner und Unternehmer eröffnete Hotels und Geschäfte. Heutzutage trifft die Bezeichnung Geisterstadt eigentlich nicht mehr zu. Real de 14 präsentiert sich als schmuckes Städtchen, eingebettet hoch oben in den Hügelzügen der Sierra Madre Oriental im Bundesstaat San Luis Potosi. Dem Ort wurde das Prädikat «Pueblo Mágico» verliehen, also ein magisches und sehenswertes Reiseziel. Der Tourismus wurde zur wichtigsten Einkommensquelle.

Sehr speziell ist die Anreise auf einer scheinbar nicht enden wollenden Kopfsteinpflasterstraße den steilen Berg hoch. Dann folgt ein über 2 km langer Tunnel, bis am anderen Ende plötzlich die Ortschaft auftaucht.

Ursprung des Names

Real bedeutet «königlich» und stammt von den königlichen Silberminen. Die Zahl im Namen verdankt der Ort angeblich 14 spanischen Soldaten, welche ausgeschickt wurden um indigene Widerstandskämpfer aufzuspüren. Sie kamen nie zurück, sie wurden überfallen und umgebracht.


Sehenswürdigkeiten

Ogarrio-Tunnel

Ohne ihn geht gar nichts. Die Bauarbeiten für den Tunnel, der wichtigsten Zugangsstraße, wurden nach 4-jähriger Bauzeit 1901 vollendet. Er misst 2.3 Kilometer. Ursprünglich zogen Maultiere die Transportwagen für die Bewohner hin und her. Heute fährt ein spezieller Tunnelbus. Mit Funkgeräten steuern zwei an den Tunnelausgängen positionierte Mitarbeiter den Verkehr, das Kreuzen ist bei den bescheidenen Ausmaßen nicht möglich.

Calle Lanzagorta

Die gepflasterte Lanzagorta-Straße führt vom Westausgang des Tunnels an der Kirche vorbei zum Stadtzentrum und zur Plaza Hidalgo. Einige der am schönsten restaurierten Häuser säumen die Gasse.

Templo de la Purisima Concepción

Dank der Zuwendung von Silber durch die Minenarbeiter, konnte ein französischer Architekt für die Gestaltung der Kirche engagiert werden. Der Altar mit dem Abbild des heiligen Franz von Assisi zieht Tausende mexikanische Pilger an. Diese erbitten sich eine Hilfeleistung oder ersuchen um Vergebung ihrer Sünden. In einem Nebenraum werden Danksagungen für erhörte Gebete ausgehängt, in denen die Kirchgänger Gesundheit, Wohlstand und Schutz vor Schicksalsschläge ersucht hatten.

Casa de la Moneda

Die alte Münzprägeanstalt befindet sich gleich gegenüber der Kirche. In den Jahren 1865/1866 wurde die damalige Währung «Real» geprägt. Aktuell fungiert das Gebäude als Kulturzentrum.

Jardin Hidalgo

Der mit Bäumen und Sitzgelegenheiten ausgestattete Hidalgo Park war früher das soziale und kommerzielle Zentrum des Ortes. Die Einwohner treffen sich noch immer für einen Schwatz oder die jüngere Generation nutzt die Parkbänke um sich etwas näher zu kommen.

Palenque de Gallos

Die einem römischen Amphitheater nachempfundene Arena, mit einer Kapazität von 600 Zuschauern, bietet neben dem bei Mexikanern beliebten Spektakel der Hahnenkämpfe auch Theater- und Tanzaufführungen an.

Friedhof und Plaza de Toros

Folgst du der Straße weiter bis zum Stadtrand, kommst du bei der Capilla de Guadalupe, einer weiß getünchten Kirche und dem Friedhof vorbei. Noch etwas weiter erreichst du die Überreste der früheren Stierkampfarena, der Plaza de Toros. Hier erhaschst du auch wunderbare Ausblicke über die Sierra Catorce bis runter zur endlos scheinenden Wüstenlandschaft.


Ausflüge in der Sierra Catorce

Estación Catorce

Mit einem Willys-Jeep kannst du die ca. einstündige Strecke hinunter ins kleine Wüstendorf Estación Catorce unternehmen. Eine ruppige Fahrt durch eine spektakuläre Landschaft erwartet dich. Hier befindet sich der alte Bahnhof, wo die Güter für und von Real de Catorce umgeladen wurden. In der umliegenden Halbwüste sind die unterschiedlichsten Kakteen zu bestaunen. Unter anderem wachsen hier auch die bekannten Peyote, aus dem das stark halluzinogene Mescalin gewonnen wird. Unterwegs anerbietet sich ein Besuch der Bergbau-Hacienda Socavón La Purísima mit seinen verfallenen Silberminen und Gebäuden.

Gleich unterhalb des Jardin Hidalgo warten die Fahrer der Jeeps und bieten ihren Service an. Der Preis richten sich nach der Zahl der Teilnehmer. Einige Hotels organisieren geführte Touren nach Estación Catorce.

Pueblo Fantasma, die Geisterstadt

Eine Geisterstadt gibt es immer noch, die Ciudad Fantasma, auf einem Hügelzug östlich des jetzigen Ortskerns. Wenn du gerne reitest, findest du beim Ogarrio-Tunnel Pferdehalter für diesen Ausritt. Zu Fuß ist es rund eine Stunde. Folge der Calle Lanzagorta, halte dich kurz vor dem Tunnel links und ein gepflasterter Weg führt in einigen Kurven hoch zur Geisterstadt. Hier findest du einige zu Ruinen verfallene Häuser und Mauerreste. Nur Kakteen sind hier noch zu Hause. Etwas weiter dem Weg folgend kommst du zu weiteren Überresten.

Cerro El Quemado, der heilige Berg Wirikuta

Bist du mehrere Tage in Real de Catorce? Dann solltest du keinesfalls den Ausflug auf den Cerro El Quemado (verbrannter Berg) verpassen, auf den heiligen Berg der Huicholes Indianer. Entweder unternimmst du eine Tour hoch zu Pferd oder machst ein Trekking.

Ich reite schon lange nicht mehr. Seit ich mir eingestanden habe nicht so elegant und vor allem nicht so schnell wie Winnetou über die Prärie galoppieren zu können, verlor die Aktivität den Reiz. Also zu Fuß soll es sein. Die Wanderung dauert insgesamt 3-4 Stunden, rund 1.5–2 h hoch und etwas weniger für den Rückweg.

Wanderung auf den heiligen Berg

Wir marschieren vom Jardin Hidalgo die Calle Hidalgo runter, in Richtung Estación Catorce, halten uns jedoch bei der ersten Weggabelung kurz nach dem Park links. Zuerst geht es steil abwärts bis zu einer Brücke und über den Bach. Nun folgt der Anstieg auf der rechten Talseite, auf einem kurzweiligen Weg mitten durch schönste Kaktuspflanzen. Das erste Etappenziel, die dominante Ranch El Olvido, haben wir immer unverkennbar vor uns. Auf der linken Talseite erblicken wir eine alte Mine in Ruinen.

Bei El Olvido halten wir uns rechts und auf einem gut erkennbaren Weg wandern wir in einem konstanten Auf und Ab über die Ebene bis an den Fuß des Cerro El Quemado. Etwas Energiereserve brauchen wir für den letzten Anstieg zum Sattel des Berges, bis zu einigen Steinkreisen, dem Zeremonialzentrum der Huicholes.

Wenn du rechts dem Hügelzug entlang spazierst, kommst du zu wunderschönen Kakteengewächsen und genießt die tolle Aussicht auf die weit unten gelegene Halbwüste und den Bahnhof von Estación Catorce.

Antonio, Hüter der heiligen Stätte

Hier oben treffen wir auf Antonio, den Hüter der heiligen Stätte. Ob er ein Schamane ist, beantwortet er nie ganz klar. Er hat seinen schmalen Kopf mit einem Basthut bedeckt. Eine geflochtene Tasche baumelt von seiner Schulter. Weiße Hosen, Sandalen und ein blaues Oberteil mit Ärmlingen, welche die Arme schützen, scheint der typischen Kleidung zu entsprechen. Ein schmaler Oberlippenbart ziert das Gesicht, einige längere Stoppelhaare sind über das Kinn verteilt. Sein Aussehen ist von Wind, Sonne und dem rauen Klima der Sierra Catorce gekennzeichnet. Er begrüßt mich mit einem losen Händedruck, kaum meine Hand berührend, wie eine Geisterhand.

Er komme fast täglich hoch, erklärt er uns. «Tienen cerillos?» Ob wir Zündhölzer dabei hätten, fragt er. Für seine Zeremonie zünde er jeweils einige Kerzen an. Als Nichtraucher und Nicht-Pilger können wir ihm leider nicht weiterhelfen.

Antonio läuft einmal im Uhrzeigersinn um einen am Boden erstellten Steinkreis, küsst einen Pflanzenstängel und legt ihn in den Kreis. Dann führt er uns auf der linken Seite des Berges weiter nach oben zu einer kleinen Hütte aus Stein. Es ist eine Art Tempel mit Gaben und einer Spendenkasse drinnen. Antonios Geste ist unmissverständlich, auch wir sollen einige Pesos beisteuern. Sein Blick schweift über die weite Ebene der Sierra. Er scheint plötzlich abwesend und ignoriert uns völlig. Der vormals so freundliche Señor ist wie in Trance. Die Zeit verstreicht. Wir sind schon im Begriff uns zurückzuziehen, als er wieder anfängt zu sprechen, jedoch ohne die Blickrichtung zu justieren. Er weiht uns ein in interessante Infos zur heiligen Peyote-Pflanze und in die traditionelle Pilgerfahrt der Huicholes.

Pilgerreise der Huicholes und ihr Peyote

Das Siedlungsgebiet des indigenen Volkes der Huicholes liegt in Jalisco, Nayarit, Zacatecas und Durango im zerklüfteten Hochland im Westen Mexikos. Jedes Jahr pilgern die Schamanen und Angehörige rund 400 km zum heiligen Berg Wirikuta oder El Quemado im Bundesstaat San Luis Potosi, wo gemäß ihrem Glauben der Geburtsort des Lebens ist, dort wo alles begann.

Hier suchen sie das Kakteengewächs Peyotl oder Peyote, aus dem das stark halluzinogene Mescalin gewonnen wird. Die als Droge geltende Substanz ist ein integraler Bestandteil der Rituale. Ansonsten ist der Konsum in Mexiko illegal. Eine kleine Dosis hilft den Hunger zu stillen und stärkt den Körper gegen die Müdigkeit und Kälte. Erst bei größeren Mengen setzt ein Rauschzustand ein und dieser verhilft den Schamanen zu spirituellen Visionen, um wichtige Entscheidungen zu treffen.

Antonio schaut uns wieder geheimnisvoll an, zeigt seine spitzigen Zähne ohne dabei zu lächeln und spricht: «Bienvenidos al mundo Huichol», «willkommen in der Welt der Huicholes». Mit dem speziellen Tonfall gibt er uns zu verstehen, dass dies seine Abschiedsworte sind. Sei Blick bleibt starr über der wüstenartigen Sierra, während wir uns zurückziehen und den Abstieg nach Real de Catorce in Angriff nehmen.

Wenn du mehr über die Einnahme und Erfahrung des halluzinogen Peyote wissen möchtest, siehe dir unseren Buchtipp des Autors Carlos Castañeda an, er ausführlich darüber berichtet.


Reiseinfos

An- & Weiterreise

Der Ausgangspunkt für einen Trip ins Pueblo Mágico Real de Catorce ist die Provinzstadt Matehuala. Vom Norden her kommst du aus den Großstädten Saltillo oder Monterrey (4 h) und vom Süden von San Luis Potosi (2.5 h) dahin. Momentane Abfahrtszeiten nach Real de Catorce sind um 8:00, 12:00, 14:00 und 18:00 Uhr. Dies kann jederzeit ändern, unbedingt gut abklären vor Ort, um längere Wartezeiten zu vermeiden.

Eigentlich hatten wir einen alten, holperigen Bus hinauf in die Sierra erwartet. Stattdessen war ein großes, bequemes Fahrzeug im Einsatz. Die Fahrt dauert rund 2 Stunden. Die wüstenhafte Landschaft zeigte uns Steine, Gestrüpp und verschiedenste Kakteen – definitiv deutlich spannender als der Film im Buskino. In den wenigen trostlosen Dörfern stiegen einige Passagiere aus, andere zu. Auf einer gepflasterten Straße steigt der Bus bis 2700 m. Da die Dimensionen des Buses zu groß sind für den Ogarrio-Tunnel, musst du hier umsteigen. Mit einem kleineren Gefährt geht es weiter durch den Berg. Eine surreale Erfahrung mit der gelblichen Tunnelbeleuchtung und der blauen Innenbeleuchtung – so muss sich ein Peyote-Trip wohl anfühlen.

Unterkunft

Die Casa Curtos vermietet ein einziges Apartment, ein Schlafzimmer mit einer kleinen Küche und einem einladenden Sitzplatz draußen für gemütliche Abendstunden. Sogar eine Gasheizung für kalte Nächte ist vorhanden. Das Thermometer kann je nach Jahreszeit zwischen 0-5° betragen. Die italienischen Besitzer Carla und Gianni sind sehr herzliche Gastgeber, immer für einen Schwatz zu haben und sie warten auf mit wertvollen Tipps zu Ausflügen in der Umgebung. Wir haben die Unterkunft über booking.com gebucht, die Bewertung von 9.8 dort spricht Bände.

Hotel und Unterkunft in Real de 14
Die Casa Curtos ist eine gute Wahl als Unterkunft. Dazu gibt es Hotels in jeder Preisklasse.

Essen & Trinken

Das Hotel-Restaurant Meson de la Abundancia (Webseite) bietet ein gehobenes Ambiente für ein deliziöses Abendessen. Die Portionen sind großzügig, ein riesiges Stück Fleisch und hausgemachte Teigwaren waren unsere Wahl. Traditionelle mexikanische Gerichte sind ebenfalls auf der Speisekarte.

Kurz vor Betriebsschluss hat sich der Kellner noch an unseren Tisch gesetzt und vom Leben hier in der Sierra Catorce erzählt. Speziell ist sein Heimweg, er muss täglich zu Fuß durch den über zwei Kilometer langen Ogarrio-Tunnel, dann den Hügel runter bis in seinen Wohnort El Refugio.

Für ein gediegenes, liebevoll zubereitetes Frühstück können wir das Café Azul empfehlen. Auch tut es ganz gut den sonst omnipräsenten wässrigen Café Americano mal wieder mit einem echten Cappuccino zu ersetzen. Dazu gibt es frisch gepressten Orangensaft und auf Wunsch sogar Crepes. Die Schweizer Besitzerin Brigitte lebt schon seit einer Ewigkeit in Real de Catorce. Gleich nebenan ist das Realbucks Café, die lokale, mexikanische Version von Starbucks.

Die in verschiedenen familiären Restaurants angebotenen «Gorditas» sind eine ideale Zwischenverpflegung. Wir haben diejenigen im mit «Oriente» angeschriebenen Gebäude probiert. Die Maisfladen werden draußen vor der Türe zubereitet, aufgeschnitten und wahlweise mit Rind, Poulet, Chorizo (scharfe Wurst), Rajas (Kaktusgemüse) oder Käse etc. zubereitet. Muy rico.